Gemeinde trennt sich von Karl-Marx-Straße 117
An einem Ort, wo Grundstücke und Häuser seit bald 100 Jahren Objekte großer Begehrlichkeiten sind, ist es fast folgerichtig, dass über jede öffentliche Fläche gefühlt endlos gerungen wird. Dass es auch manchmal sehr schnell gehen kann, wenn die Mehrheiten gerade stimmen, zeigt der Kauf der Kirche im Jägerstieg 2 im letzten Jahr und die aktuelle Entscheidung zur Karl-Marx-Straße 117.
Am 14.12.2017 stimmten die Gemeindevertreter Kleinmachnows in der letzten Sitzung des Jahres dem Antrag der SPD zu, das denkmalgeschützte Sommerfeld-Haus in Erbbaupacht in private Hände zu übertragen. Die Entscheidung in namentlicher Abstimmung … fiel knapp aus: 13 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen.
Zeugnis für moderne Siedlungsgeschichte wird kurz vor Jubiläum privatisiert
Die Chance, diesen Ort in ein künftiges Museumskonzept für Kleinmachnow einzubeziehen, ist damit vergeben. Während für das ehemalige Planungs- und Verkaufsbüro der Sommerfeld-Siedlung ein Konzept, die Empfehlung eines Gutachtens und sogar schon eine mit dem Denkmalschutz abgestimmte Sanierungsplanung vorlag, findet sich gerade erst eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Parteien für den Jägerstieg zusammen, die über eine Nutzung beraten soll.
In der Karl-Marx-Straße 117 hätte man gut an die erfolgreiche Entwicklung anknüpfen können, die von der Museumsinitiative angestoßen wurde: sich gemeinschaftlich, aus verschiedenen Perspektiven und mit engagierter Beteiligung von unterschiedlichsten Kleinmachnower Bürgerinnen und Bürgern der wechselvollen Geschichte der Gemeinde zu nähern. Ein authentisches Gebäude, ikonografisch für moderne Siedlungsgeschichte über Kleinmachnow hinaus, die überschaubare Dimension und zentrale Lage, inspirierende Atmosphäre und nicht zuletzt ehrenamtliches Engagement – das kam in der KM 117 zusammen.
Zusammen und ins Gespräch kamen dort auch Menschen, die sonst nicht oft auf einander treffen. Beim Kartieren der eigenen Wurzeln und Lebenswege, die heute bei vielen Kleinmachnowern in alle Welt reichen und nicht mehr an Grenzen enden. Rollator stand neben Skateboard – fast jeden Tag kam z.B. ein betagter Kleinmachnower aus dem nahen Seniorenheim, vielbeschäftigte Berufstätige schauten vorbei, Kinder eroberten sich den Garten und neuzugezogene Familien knüpften Kontakte. Das Museumsprojekt in der KM 117 begann gerade, bekannt zu werden, Verbindungen mit anderen Kulturinitiativen zu aufzubauen, Unterstützer zu gewinnen, die von Idee und Ort begeistert waren. Trotz Skepsis bei anderen. Aufmerksam wurde auch die Museumsfachwelt. Der Brandenburger Museumsverband konstatierte, wie viel bereits erreicht worden sei. Vom Berliner Stadtmuseum und der Humboldt-Uni gab es Kooperationsanfragen.
Das Museum soll in den Bannwald statt an die Hauptstraße
Bedenken, die Karl-Marx-Straße 117 wäre zu klein, entkräftet bereits ein von der Gemeinde beauftragtes Gutachten (Hirte2015). Dass sich Haus und Grundstück für einen Museumsbetrieb eignen, bestätigten beim Podiumsgespräch im Sommer auch Brandenburger Museumsexperten. Hinzu kommen die Praxiserfahrungen aus den zwei Ausstellungen.
Aber – nach dem Beschluss von 2016, die Auferstehungskirche für 817.500 Euro* zu erwerben, sucht die Gemeinde für die ab März leere Kirche und den in ein paar Jahren freiwerdenden Bauhof nebenan nach einer Nutzung. Dort, im »Grünen Band der Kultur« sehen Axel Mueller vom Heimatverein und SPD-Fraktionsvorsitzender Bernd Bültermann den benötigten Raum für ein Museum oder »Haus der Geschichte«.
Mehr Raum bedeutet aber auch, ihn zu füllen, zu beaufsichtigen, ihn einladend zu gestalten, Besucher hineinzuziehen. Es wird ein anderes Museum, als es in der Karl-Marx-Straße gerade am Wachsen war. Und es erfordert ein Mehr an Personal, Ausstellungsarchitektur, Betriebskosten etc. Das könne die Gemeinde tragen, so SPD-Fraktionsvorsitzender Bültermann im Kulturausschuss am 14.11.2017.
Im Haushalt 2018 allerdings sind weder die Sanierungskosten für den Jägerstieg 2 (die auf 1,2 Mio Euro veranschlagt sind), noch der Etat für ein Museum zu finden. Ein detailliertes Konzept für den Museumsaufbau wurde von der Gemeinde beauftragt und im November im Kulturausschuss vorgestellt. Der Heimatverein wartet bereits seit Jahren auf das versprochene Museum.
Wie ernst ist es Bürgermeister und Gemeindevertreter mit den Museumsplänen?
* Kaufpreis 750.000€ + Nebenkosten 67.500€